Kommen und gehen - Ein innerer Monolog

Habe ich überreagiert? Habe ich missverstanden? Habe ich einen Fehler begangen? Habe ich mich taktlos verhalten? War ich im Unrecht…? 

 

Ein Gefühl von Reue überkommt mich. Warum habe ich es nur angesprochen? Ich hätte es einfach dabei belassen sollen, dann wäre es nie so ausgeartet, dann wäre es nie so weit gekommen. Selbst Schuld. Das kommt davon, wenn man einmal den Mund aufmacht. Nächstes mal weiß ich’s besser: Klappe halten. Schlicht und einfach nicht ansprechen und das Problem wird von alleine vergehen.

 

Schön wär’s. Wenn es nur so einfach wäre... Aber so ist es leider nicht. So schaut es in der Realität nicht aus. Ich kann es nicht einfach bei Dingen belassen. Wenn ich ein Problem habe, dann ist es mein Recht, dieses anzusprechen. Bin ich eine Untergebene, die keine Meinung haben darf? Ist es mir verboten, zu fühlen? Ist es mir verboten, meine Gefühle mitzuteilen? Nein. Ich darf fühlen, stark fühlen und ich darf meine Gefühle offenbaren. Es ist mir egal, ob du es nun hören willst oder nicht. Es ist mein Recht, mich dir mitzuteilen, mein Empfinden zu offenbaren.

 

Aber wie wirst du reagieren? Ich möchte, dass du mich verstehst, denn ganz sicher habe ich nicht die Absicht, dich zu verletzen, dir wehzutun. Ich möchte gehört werden, begriffen werden, aber ich habe Angst, dass du mich missverstehen wirst, mir die Worte im Mund verdrehen wirst, habe Angst, zurückgewiesen zu werden: Aus Angreifer wird Verteidiger. Aus Unschuld wird Schuld. Aus Recht wird Reue. Dies sind die Ängste, die mich zweifeln lassen, mich dir zu stellen. 


Warum allerdings empfinde ich diese Angst? Wenn du doch mein wahrer Freund bist, dann habe ich nicht zu befürchten, dass du mich wegstoßen wirst. Du wirst versuchen, zu verstehen. Du wirst auf mich zukommen und wir werden uns einigen. Ich werde dir sagen, was mich stört und du wirst zuhören. Du wirst sagen, was dich stört und ich werde zuhören. Und eines Tages werden wir uns kaum mehr an diesen Streit erinnern, wenn man es überhaupt Streit nennen mag, wohl eher Gespräch. 


Aber, was ich beschrieben habe, ist nur eine ideale Vorstellung in meinem Kopf, eine Utopie. Sicherlich mag es gelegentlich so ausgehen, oftmals jedoch nicht und dann bleibt uns nur eines übrig: Der Abschied. Du wirst gehen und neue Menschen treffen. Sie werden bleiben oder fortgehen. Und auch ich werde neue Menschen treffen und sie werden bleiben oder fortgehen. Und das ist okay: Menschen kommen und gehen.

 

Ich sollte mich nicht dazu verpflichtet fühlen, krampfhaft an einer Bindung festzuhalten und versuchen, sie ständig zu erhalten. So darf es nicht sein. Und damit meine ich keineswegs, sich gar nicht in einer Beziehung zu bemühen. Natürlich muss ich Zeit in sie investieren und meinem Gegenüber Wertschätzung zeigen. Aber wenn der Aufwand größer ist als der Erlös, ist es mir die Beziehung dann wert? Nur die wenigsten Begegnungen sind für die Ewigkeit gedacht, die meisten bleiben von kurzer Dauer. Das bedeutet zwangsläufig aber nicht, dass sie schlecht oder bedeutungslos waren. 

 

Ich schaue zurück und erinnere mich an all die Momente, in denen wir gelacht und erlebt haben. Ich schaue zurück und sehe Menschen, die wunderbar sind so wie sie sind, auf ihre ganz eigene Art und Weise. Manchmal stellt sich allerdings erst im Nachhinein heraus, dass zwei Menschen nicht zueinander passen. Wir sind uns zufälligerweise begegnet, haben uns zufälligerweise gut verstanden, haben zufälligerweise geglaubt, da wäre was, ein Band der Freundschaft, aber dieses brüchige Band sollte irgendwann reißen und uns endgültig voneinander trennen. 

 

Nun gehen wir also unsere ganz eigenen Wege und nichts verbindet uns mehr, aber das ist in Ordnung, denn ich weiß, ich werde andere Menschen finden und unser Band wird stärker sein. Und so wird es auch dir ergehen.

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